Mother Shipton, 2024
Rauminstallation aus vielfachen Medien und Materialien

03 >> 26.05.2024 Ausstellung

Christian Kosmas Mayer

11-19h
Bischofshaus

In seinen Rauminstallationen beleuchtet Christian Kosmas Mayer Geschichten um historische Artefakte und Motive, die an den Rand des kollektiven Gedächtnisses gerückt sind oder unbeachtet bleiben. Auf Einladung von INNSBRUCK INTERNATIONAL entwarf er eine ortsspezifische Installation für das erstmals im 15. Jahrhundert erwähnte Bischofshaus, in welcher er sich mit der Legende um Ursula Southeil auseinandersetzt. Southeil, mutmaßlich 1488 in York, England, zur Welt gekommen und als Heilerin bekannt, erlangte posthum unter dem Namen »Mother Shipton« zweifelhafte Berühmtheit als vermeintliche Prophetin und Hexe. Es ist mittlerweile bekannt, dass die ihr zugeschriebenen Prophezeiungen erst ein Jahrhundert nach ihrem Ableben von einem Verleger erfunden und publiziert wurden. Die über Southeil überlieferten charakteristischen Merkmale – eine krumme Nase, vorstehende Zähne und eine schlanke Figur – wurden zur Schablone für zahlreiche Hexendarstellungen, die über Jahrhunderte hinweg zur Dämonisierung des weiblichen Naturverständnisses beitrugen.
Mayer nähert sich dieser vielschichtigen Geschichte mit einer Schmetterlingsart an, deren Flügelzeichnungen Ähnlichkeiten mit der grotesken Darstellung einer Hexe aufweisen – was ihr im Englischen den Beinamen »Mother Shipton« einbrachte. In den Archiven der Naturhistorischen Sammlung der Tiroler Landesmuseen stieß er auf eine umfangreiche Kollektion dieser Art, die auch in Österreich einst weit verbreitet war, heute aber aufgrund des Rückgangs ihres Lebensraums als gefährdet gilt. Mit akribischer Genauigkeit fokussierte sich Mayer
fotografisch auf die spezifischen Flügelzeichnungen eines jeden Exemplars, um die subtilen Varianten innerhalb der augenscheinlich homogenen Muster herauszuarbeiten. Diese raumbezogene Fotoserie wird bereichert durch zeitgenössische Prophezeiungen, die im Geiste von
Mother Shipton’s Weissagungen verfasst sind, sowie durch dokumentarische Aufnahmen jener Quelle, an welcher Ursula Southeil angeblich das Licht der Welt erblickte – ein Ort, dem man versteinernde Kräfte nachsagt.

 

In der urbanen Landschaft Innsbrucks verteilt, präsentiert sich mit telltales ein weiteres Werk von Mayer, das auf dem uralt bekannten Wissen fußt, wonach sich das Wetter mithilfe von getrockneten Balsam-Tannenästen vorhersagen lässt. Mayer belebt diese traditionelle Methode neu, indem er solche »Wetteräste« an verschiedenen Stadtbäumen Innsbrucks installiert. Diese Äste, obwohl leicht zu übersehen, offenbaren für die Informierten und Aufmerksamen ihre scheinbar magischen Fähigkeiten: Neigen sich die Äste nach oben, ist mit trockenem und warmem Wetter zu rechnen; zeigen sie nach unten, wird Regen erwartet.

 

Im Zusammenspiel dieser beiden Werke webt Christian Kosmas Mayer ein dichtes Netz aus Vergangenheit und Gegenwart, Natur und Mythos,
das die Betrachter:innen dazu anregt, die Verflechtungen von vergessenem Wissen und zukünftigen Möglichkeiten neu zu betrachten und erinnert uns daran, dass in der Reflexion und genauen Beobachtung des Übersehenen tiefe Einsichten für das Verständnis unserer unsicheren Zeiten liegen.

 

In Zusammenarbeit mit der Naturhistorischen Sammlung der Tiroler Landesmuseen.

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